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Stille Nacht, heilige Nacht - Besinnung für den “Homo Consummatio“

Anna Lippmann

Für ,,ein(en) Minimalismus an dinglicher Geschenkegabe und ein(en) Maximalismus an Herzenswärme zur Bescherung" - Über die Anthropologeme des Menschen der westlichen Welt - Eine Satire von Anna Lippmann


Mümmelmann, Ganauser und Ochs haben es zur Christnacht ganz und gar nicht bequem. Eine dilettantische Massenarchitektur an Schneeballpyramiden mit eingepflanzter und deplatzierter Möhre, an irgendeinem Ort des scheinbaren Schneemanngesichtes, bringt Mümmelmann um sein Abendmahl, wenn er nicht längst wie Ganauser und Ochs zwischen Rosmarin, Zipolle und Bratensoße in Frieden ruht. Dort benachbart von Teigwaren und Fisolen erscheint das einstige Getier als ganz ausgemachte Andachtsstätte, welche in ihrer Heiligkeit den Tischgästen das lang gepflegte Premierenfieber gegenüber der epischen Zusammenkunft der Ahnentafel, zumindest zeitweilig vertreibt. An die Stelle der sozialen Homophilie tritt ein dienstwilliges Pflichtgefühl, dass uns den hungrigen Familienclan salutieren lässt. Dann sitzen wir gesittet und mit dümmlichen Reklamegrinsen in meist angespanntem Gremium, wartend auf den servierfertigen und ofenwarmen Ganauser, der dem christnächtlichen Anserinaezid (,,Anserinae": die Gans) unglücklicherweise nicht davon flattern konnte.


An Heiligabend aber sollen wir nicht ausschließlich üppig tafeln, wir sollen ebenfalls reich beschenkt werden, dass lehren uns schließlich Christkindl und Santa Claus unentwegt alle Jahre wieder. In den Städten herrscht daher, unter steriler Hygienemaske, der kaufwütige “Homo Consummatio“ (lat. ,,der Konsummensch“), der in seinem “amygdalen“ Wahn, nicht das entsprechende Geschenk für den neu angekommenen Säugling oder die anspruchsvolle Schwiegertochter ausfindig zu machen, keuchend durch die Geschäfte hinkt und dabei beachtliche Ersparnisse opfert, die sich für das etwaige Wohlgefühl der Beschenkten hoffentlich lohnen.

Ausgelaugt und abgeschlafft zieht der “Homo Consummatio“ mit knapper Not an seinem Inhalator, seine Bronchien zu Schallblasen aufblähen, ehe er neuen Schwunges seine Odyssee in Richtung Apotheke fortführt. Dort deckt er sich ein mit Sagrotan-Pumpspray, schließlich soll das traute Heim dieses Jahr weder mit Zimt noch mit Nelken beduftet werden. Das Geruchsorgan im Herzen des Entkeimungsnebels, hier findet sich der neue Ort der Seligen, das Reinlichkeits-Elysium der olfaktorischen Erhöhung.


Dort, im Epizentrum des sämtlichen Zeremoniells, ereignet sich auf der Bühne ein disponiertes Szenarium besonderer Art: Eine Kinderschar horcht in martialischer Positur nach dem Geklingel Christkindls Bimmel, welches nach Abwurf vieler farbiger und formenheterogener Packerl, unter des Christbaumes aufflammender Lichtergarnitur, den Korridor beseelt. Christkindl sucht schon das Weite, da bricht in Getrampel aus die Kindermeute, wie die Geier stürzen sie sich auf die Geschenkebeute. Die Erwachsenen gaffen auf des Ritus Krach und klagen: ,,Schad´ ist es um´s schöne Gabenpapier, doch die Hauptsach´ ist, wir still´n unser kleiner Kinder Gier!“













 

Zur Weihnachtszeit werden Zahlreiche zu den Zeugen einer Kulmination an Konsumtions-Delikten, hervorgebracht durch eine Unersättlichkeit, die ihresgleichen allein in der Geschichte ,,Das goldene Händchen von König Midas“ findet. Eine Metapher, in welchem der Alptraum des Mangels geträumt wird, wie von unserem “Homo Consummatio“ Tag und Nacht. Städte kündigen eine bevorstehende Apokalypse an, doch statt mit Konserven rettet man sich mit möglichst viel Mumpitz in den weihnachtlichen Schutzbau, denn die Ausweitung der Persönlichkeit über Besitz erachtet sich in Gefahr und wiegt schwerer als Magenknurren. Der “Homo Consummatio“ kratzt sich die Fingerkuppen am Grund des Portjuchhes blutig und die Konzernunternehmung entzückt sich über das Entgegenkommen ihres herzensguten Gönners.


Der organisierte Taschendieb der Neuzeit kultiviert seine langfingrigen Fertigkeiten außerhalb der Gasse, ist Teil einer komplexen Vereinigung mehrerer autonomer Unternehmen gleicher, ähnlicher oder sich ergänzender Produktion, in welcher der Profit zum bloßen Zweck und der Verbraucher zum günstigen Mittel erklärt wird. Diese teleologische Apparatur finanziell-wirtschaftlicher Größe schafft sich in einem schrankenlosen Raum von Reglementations-Abwesenheit, Nicht-Institutionalismus und Barbarei die Legitimation für eine inflationäre Hypnose ihrer Kundschaft, statt sich selbst mittels Sigmund Freud´s Wegleitung in die Genesung zu begeben, welche so vonnöten wäre. Der organisierte Taschendieb der Neuzeit krankt an einer Kleptomanie, die sich in seinem eigens hervorgebrachten Geschäftsmodell wieder opportun macht, indem die Unmäßigkeit sich jetzt in einem Uroboros aus ,,Konsumententum“ und ,,Geschäftsführertum“ beidseitig bedingt.



 

Der “Homo Consummatio“ muss erkennen, dass es ihm nach einer anderen Art von Nahrung und Hunger dürstet, möchte er den Midasfluch brechen. Wie der König kann er sich dafür entscheiden, ein Leben zu erträumen, in dem er gut genug ist, um glücklich und zufrieden zu sein, ganz gleich, wie viel Prunk er besitzt.


Weihnachten, einst das Fest der Liebe und Geborgenheit, entstand aus der Absicht, der Geburt Jesus Christus zu gedenken. Vor mehr als 2.000 Jahren kam Jesus Christus auf die Erde um die Menschen zu retten, so der Glaube der Christengemeinschaft. Wer kommt diesmal auf die Erde, um Weihnachten zu retten, jetzt wo viele ersichtlich vergessen haben, worauf es an Weihnachten eigentlich ankommt? Nämlich auf Gemeinschaft, Versöhnung, Herzlichkeit, geselliges Zusammensein und Familie. Eben auf all das, wofür wir uns sonst während dem Alltagstrott zu wenig Zeit nehmen.


Weihnachten möchte sinnlich sein, wenn der leuchtende Herrnhuter-Stern die Fenster schmückt, wenn sich die vierstöckige Weihnachtspyramide auf der Chiffoniere im Karussell dreht, wenn die Krippe mit dem Jesuskind unter dem Nadeldach des sich fein gemachten Christbaumes residiert und wenn sich der Duft von jungen Pfefferkuchen und Keksen seinen Weg in unsere Nasenhöhlen bahnt.


Mit einer aussichtsreichen Besinnungs-Bescherung, kann Weihnachten für die mitwirkenden Familienteilnehmer sogar ausgesprochen behaglich sein. Ein Minimalismus an dinglicher Geschenkegabe und ein Maximalismus an Herzenswärme zur Bescherung mutet als eine unvorstellbare Kombination an, wäre aber gewiss einen Trend wert und würde sicher ein zwangloseres Weihnachtsfest bewirken.


In diesem Sinne, frohe Weihnachten!

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