Für das Ersuchen der Selbstermächtigung des Menschen - Eine epistemische Begriffanschauung von Anna Lippmann
Leidensmotive erwachsen Ohnmachtssentimenten und Ohnmachtssentimente erwachsen der erfahrenen Überwältigung wesentlicher Souveränität.
Eine Übersicht
Prolog
Die Unachtsamkeit und die Blindheit
Die Gleichgültigkeit
Das Individualgericht und das Weltgericht
Das interessanteste Gericht
Eine Voraussetzung beidseitiger Natur
Das große Verderben der Gleichgültigkeit
Der Mensch im Wogenspiel der Macht
Die naturgemäße Entwicklung
Prolog
Nach Schopenhauer ist alles Leiden gehemmtes Wollen und gehemmtes Wollen mündet, so könnte man sagen, im Ohnmachtssentiment, denn einem Bestreben, gleichwohl wie freigestellt jenes war, wurde Einhalt geboten und blieb damit in der endgültigen Erschließung seines “Wollengegenstandes” (zunächst) unwirksam. Doch nicht eine Versöhnung mit Begriffsbestimmungen nach Schopenhauer soll hier das Epizentrum bilden, stattdessen soll der erfahrenen Überwältigung wesentlicher Souveränität in Beziehung zur “Schuldfrage” auf den Grund gegangen werden. Sicher gibt es auch andere Bestimmungen von Ursächlichkeiten aus welchen sich Schuld gebiert. Die hier versuchte Begriffanschauung beansprucht keinerlei Vollständigkeit. Absicht dieser Begriffanschauung soll ausschließlich die Anschauung und nicht die perfektible Purifikation eines Termini und die totalitäre Darstellung dessen komplexer Bezüge sein.
Es sollen ebenfalls keine einseitigen Opfer-Täter-Verhältnisse verlautbart werden, nachdem man diese nach Normverletzungen und moralischen Verwerfungen abgewogen und dingfest gemacht hat, um so dann ein vernichtendes Urteil für den Delinquenten anzuschließen. Dieser Diskurs scheint längst erschöpft, ohne, dass dabei noch substantiell Verwertbares, geschweige denn Gleichungen entstehen würden, welche das intellektuelle Sensorium befruchten. Statt also gleichsam eines Klageweibes einfältige Opfer-Täter-Sätze zu rezitieren und rechtdenkende Strafakte zu fordern, soll die Perspektive weg von solcherlei pädagogischen Absonderlichkeiten, hin zu einem nüchterneren Bemessen auf Schuld im Falle der hineinstürzenden Ereignisse bewegt werden. Hier hat die Schuld ihre klare Verortung in der Mitte des jaulenden Betroffenen. Der Begriff des ,,Betroffenen” umschließt hierbei bewusst die konstituierten Figuren des Opfers und des Täters, da eine Unterscheidung innerhalb der folgenden Begriffsanschauung von Schuld hinfällig wird. Hier fällt die Rechtsprechung gewichtlos, denn hier ist beinahe ein jeder Opfer und Täter zugleich.
Die Unachtsamkeit und die Blindheit
Die Ereignisse sind auf einen zugeeilt, dann auf einen hineineingestürzt, wiegte man sich noch gerade eben in einer trügerischen, ja längst hinfälligen Empfindung der Sicherheit, blind für und ungeachtet der mahnenden Warnboten, welche das Zusammengebräu eines unheilvollen Gewitters bereits heraufziehen sahen, bemüht darum, uns eine schmerzhafte Begegnung durch ein vorgegriffenes, gedächtnislanges und weitsichtiges Handeln vereiteln zu lassen. Vielleicht aber auch war man sich bereits über dessen Unabwendbarkeit bewusst und ersuchte nun einen tröstenden Frieden innerhalb einer gleichgültigen Ruhe. So oder so, ein Gewitter hatte sich zu entladen und schickte sich nicht an, sich aus Rücksicht auf die jeweilige Kenntnisnahme von dessen Einzug zurück zu nehmen oder gar abzuziehen.
Um nun die streitbare Frage nach dem Bemessen auf Schuld in einem epistemischen Sinne anzugehen, lässt sich diese im Falle der Blindheit und der Unachtsamkeit gegenüber der mahnenden Warnboten scheinbar vollständig dem die Ereignisse widerfahrenen ,,Betroffenen” anrechnen. Sind diese doch erst durch dessen Unvermögen, sein Potential von Selbstermächtigung vorläufig gegen das ihm drohende Unheil in Stellung zu bringen, auf ihn losgelassen worden. Gleichwohl ob Blindheit hier in der Behinderung schwerer wiegt als Unachtsamkeit, drängen sich im Falle der Unachtsamkeit die Warnboten doch immerhin in eine erkenntnisinduzierende, wenn auch zunächst unbestimmte Peripherie, für welche die Blindheit keinerlei Zugänge hat.
Man könnte nun also behaupten die Blindheit, und diese ist hier freilich nicht gemeint in einem klinischem Verständnis, mildere die Anrechnung insgesamten “Schuldkapitals” zu ihren Gunsten ab. Ja setze dieses sogar auf null, erwägt man allein das im Moment, da man die Schuld auf sich zieht, zur Verfügung stehende Potential von Selbstermächtigung für das Bemessen auf Schuld. Und dieses ist für den Blinden außerhalb seiner einsehbaren Welt ja nicht gegeben, folglich mobilisiert er immer einen bloßen Teil. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Blindheit durch den Einschlag leidensevozierter Ereignisse in deren enge Welt zugleich die Möglichkeit ihrer Heilung anschließt, zugunsten der Erweiterung der engen Welt und damit verfügbaren Potentials von Selbstermächtigung.
Genau jene leidensevozierte Überwältigung der engen Welt der Blindheit lässt diese über die Kleinheit ihrer bis dahin vorgefundenen Welt erstaunen und sie tritt ein in eine Größere. Zugleich beginnt mit dieser Erfahrung erstmals der zarte Sprössling ihres ungeahnten Potentials von Selbstermächtigung zu keimen, fehlte diesem doch die Angemessenheit von Welt, innerhalb welcher dieser erst sein Wurzelwerk schlagen konnte. Das Wesentliche aber ist, dass an die Blindheit nun so viel von Welt herangetragen wurde, da man ihr ja den Schleier ihrer blinden Peripherie entrissen hat, dass man sie von nun an nicht länger kategorisch von der Schuld ihr widerfahrener Überwältigungen freisprechen kann. Denn mit dem Anwachsen ihres Potentials von Selbstermächtigung innerhalb einer sich ausgedehnten Welt, angestoßen durch einen leidensevozierten und ganz und gar bestrebten Prozess der Heilung, hat man sie in das Gericht des Bemessens auf Schuld aufgenommen, vor welchem sie von nun an Apologie vorzubringen hat.
Der Unterschied zwischen der Blindheit und der Unachtsamkeit liegt in deren Zugang zu den Bornen gänzlichen Potentials von Selbstermächtigung. So liegt die Blindheit über die Strecke der erkenntnisinduzierenden Peripherie ferner von diesen als die Unachtsamkeit, ja ist für diese zunächst erst gar nicht empfänglich. Hierin liegt das ganze Unvermögen der Blindheit, welches auf Schuld anders bemessen werden muss als jenes der Unachtsamkeit. Ist die Unachtsamkeit in ihrem Unterlass, der Weisungen mahnender Warnboten nachzugehen zwar nicht weniger unvermögend, dieses jedoch nicht auf Grund mangelnder Gelegenheit zur Erkenntnis, wie es bei der Blindheit der Fall ist. Es ergibt sich daraus ein ungleiches Bemessen auf Schuld. Wobei sich die Unachtsamkeit der größeren Sühne schuldig macht, ist sie doch zugleich Opfer ihrer Mittäterschaft an den auf sie hineinstürzenden Ereignissen, der Gestaltwerdung all ihrer unbeachtet gelassenen Mahnungen.
Im Falle der Blindheit möchte einer beifügen, dass diese womöglich gar nicht blind an der Peripherie mahnender Warnboten sei. Vielleicht warnte einfach nichts und niemand vor dem Unheil. Hierzu sei gesagt, dass dies für die Blindheit in der engen Welt, im “blindlingsen” Reich des Elfenbeinturmes, gleich wäre. Hier kann nur ein Einbruch an Ereignissen in die Erlösung führen, welche das Turmgemäuer bis zum letzten zementierten Stein erschüttert, um die darin liegende Blindheit vom Mutterschoße zu entbinden, sie in die Weite zu entlassen.
Zusätzlich habe die Blindheit ja sehr wohl Schuld an den auf sie hineinstürzenden Ereignissen, wenn diese, gleich der hier diktierten Kausalitätsdogmatik, durch niedriges Potential von Selbstermächtigung ihre Auslösung finden. Hierzu sei gesagt, dass die Blindheit erst durch deren Aufnahme in das Gericht des Bemessens auf Schuld auch tatsächliche Schuld auf sich lädt, begreift man den Begriff der Schuld als Unterlass einer Handlung trotz sich bietender Aktionsleistungen, welche ja der Blindheit sich bis dahin in deren engen Welt nicht andienten. So hat die Blindheit die hineinstürzenden Ereignisse zu einer natürlichen Stringenz gemacht. Dies jedoch nicht aufgrund von Unachtsamkeit oder von Gleichgültigkeit, sondern wegen ihres unbekümmert gehaltenen Dasein, unwissend gegangen an einer weiten Welt, die zur Exploration hinter ihres Mutterschoßes aufwartet(e).
Folglich ist die Blindheit Betroffene ihrer eigens verursachten Weltfremdheit, deren Ursprünge in einem Mutterschoße liegen, in dessen warmer Mulde sie sich sicher glaubte und welche alle eigens aufgebrachten Anstrengungen verzichtbar werden ließ. Ihr dafür Schuld vorwerfen zu wollen wäre vermessen statt wohl bemessen, fehlte es ihr am Nabel doch an rein nichts was sie hätte aufmerken lassen, bis man diesen ihr durchtrennte, ohne, dass jenes auch nur rückgängig zu machen wäre. Das ist das gänzliche leidensevozierte Ereignis der Blindheit, in dessen Tragik Strukturen von Schuld und Unschuld mitfahren, diese sich jedoch einem urteilssprechenden Bemessen auf Schuld entziehen.

Die Gleichgültigkeit
Es bleibt ein Fall noch ausstehend. Wie verhält es sich mit dem Bemessen auf Schuld im Falle des Bewusstseins über die Unabwendbarkeit hineinstürzender Ereignisse, welches zu einer Negation einer jeden Handlung führte ? War das Ohnmachtssentiment also bereits im Voraus aufgenommen worden, bestmöglich begleitet von einem Sinnieren. Jener Fall der Gleichgültigkeit gleicht dem Fall der Unachtsamkeit darin, dass sowohl die Gleichgültigkeit als auch die Unachtsamkeit eine Handlung trotz sich bietender Aktionsleistungen unterließen. Wenn auch die Unachtsamkeit unter dem ersichtlichen Nachteil zu leiden hat, dass ihr aufgrund einer noch unbestimmten Peripherie weniger eingegeben ist, worauf sie denn überhaupt zu reagieren hat, sie folglich größere Anstrengungen zu machen hat. Indes hat die Gleichgültigkeit das Unheil bereits in der Gegenwart studiert, konnte die mahnenden Warnboten erfolgreich aus der Peripherie herauslösen. Die entscheidende Antwort richtet sich hier nach dem Verfügen über Potential von Selbstermächtigung insgesamt und dieses zeigt sich im Falle der Unachtsamkeit doch ärmlicher als im Falle der Gleichgültigkeit, wo man dieses bereits gegen das drohende Unheil bündelte, aufgrund der schlechten Bilanz jedoch im Ohnmachtssentiment zurückblieb.
Nun könnte man sicher fragen ob die Unabwendbarkeit der Ereignisse nicht mehr ein bequemer Vorwand sei statt Einsicht in die “Donquichotterie”. Und wer erlaube sich in dem Vermögen, Ereignisse auf “nostradamisches Gewicht” vorzufühlen und Senkungen in der Bereitschaft zu deren Vereitelung zu verantworten, die sonst der Unabwendbarkeit des bloßen Irrtums bezichtigt hätten, zumindest wäre es ja möglich und muss daher als Gedanke angestellt werden. Und wären außerdem Blindheit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit vor der Fratze unabwendbarer Ereignisse nicht gleich, würden sie doch alle letzten Endes das selbige Schicksal teilen.

Das Individualgericht und das Weltgericht
Gleichwohl welche Frage sich stellt, die Antwort scheint gegleist in das Ohnmachtssentiment zu fahren und das Unheil entgegen aller Bemühungen als letzte Wahrheit empor zu heben. Auf das das Lied vom Leiden auf alle Ewigkeit gespielt werden und ertönen möge. Ob die Ereignisse unabwendbar sein mögen oder nicht hängt ab von deren Natur und Größe und wie diese mit Eigenleben gefüllt sind. Eigenleben, welches jegliche Geste des Einhaltgebietens zu einem bloß süßen Traum des Heroismus degradieren kann. Denn es gibt auch die hineinstürzenden Ereignisse, die den Menschen in gänzliche Kleinheit zwingen, die außerhalb seiner Macht liegen, die ihn all sein aufgebrachtes Potential von Selbstermächtigung in die Leere vergeuden lassen, wie es bei der Gleichgültigkeit der Fall ist, zumindest in erster Annahme, die ja aus Resignation angesichts jener Ohnmacht hervorgegangen war. Und so gibt es die hineinstürzenden Ereignisse, denen nur im Verbund des Menschenkollektiv Einhalt geboten würden, denn deren Themen erstrecken sich über viele zur selbigen Zeit betroffene Körper. Hier wird aus dem Individualgericht das Weltgericht, alles Bemessen auf Schuld wechselt den Maßstab.
Vor dem Weltgericht treffen zur Anhörung Blindheit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit zusammen, haben gemeinsam Apologie abzulegen. Für die Gleichgültigkeit auf der Position des obersten Ranges der Erkenntnis mag deren jetziges Verschwinden in der Einheit der Angehörten darüber große Ernüchterung bringen, wenn nicht gar hierin mitunter der Grund für ihre Gleichgültigkeit liegt. So hat ihr doch vermögendes Potential von Selbstermächtigung durch das Beistellen ihrer mangelhaften "Erkenntnisbrüder" nur unzureichend zum Konzentrat gereicht, welches dem Unheil noch etwas hätte entgegensetzen können. Und so wird vor dem Weltgericht die Gleichgültigkeit in das ganze Verderben der Blindheit und der Unachtsamkeit mitgerissen, denn hier machen die hineinstürzenden Ereignisse keinen Halt vor den Unterschieden. So auch nicht das Bemessen auf Schuld, denn die Schuld geht in der Tragik des Unheils hier gleichsam einer Kollektivstrafe über auf einen jeden.


Das interessanteste Gericht
Um das Bemessen auf Schuld im Falle der Gleichgültigkeit auch jenseits des Weltgerichts anzugehen, sei gesagt, dass dies das interessanteste Gericht ist. Auch hier bildet das Potential von Selbstermächtigung wichtigsten Gegenstand und dieses steht im Vergleich der anderen Fälle zu gänzlicher Verfügung. Denn die Gleichgültigkeit scheint zunächst nicht ohnmächtig, genießt sie doch ungehinderten Zugang zu den Bornen des Potentials von Selbstermächtigung. Jedoch, in ihrem versunkenen Studieren der heraufziehenden Ereignisse überkam sie die “Donquichotterie” einer jeden selbst ermächtigten Handlung gegen das Unheil.

Eine Voraussetzung beidseitiger Natur
Das Bemessen auf Schuld richtet sich hier an eine Voraussetzung beidseitiger Natur: Des geglückten Studierens der Unabwendbarkeit der Ereignisse und des gefehlten Studierens der Unabwendbarkeit der Ereignisse. So entspricht das Studieren und sei dieses noch so gewissenhaft stets des Mutmaßens, denn selbst die Gesetzmäßigkeit kennt schwarze Schwäne, im Kleinen wie im Großen. Es wird bereits ersichtlich, dass das Bemessen auf Schuld vor eine nahezu unlösbare Aufgabe gestellt ist, denn niemand weiß sich im Besitze einer “nostradamischen Glaskugel”. Und so ist im Falle des geglückten Studierens der Unabwendbarkeit der Ereignisse, da das Mutmaßen auf seine sich reimende Wahrheit traf, das Problem vorhanden, ob die Mutmaßung bloß daher auf das eintretende Unheil passt, da dieses wegen genau jener Mutmaßung nicht mehr versucht wurde zu vereiteln, die Mutmaßung also ihre selbst erfüllende Prophezeiung gewesen ist. Die Voraussetzung beidseitiger Natur läuft zusammen in ein und dasselbe Problem. Das geglückte Studieren der Unabwendbarkeit der Ereignisse steht ebenso wenig zur Ermittlung einer letzten Gewissheit und damit zum Gehalt von Wahrheit wie das gefehlte Studieren der Unabwendbarkeit der Ereignisse. Denn das gefehlte Studieren der Unabwendbarkeit der Ereignisse kam ja daher zustande, dass die Unabwendbarkeit der Ereignisse entgegen des Mutmaßens doch abwendbar hätte sein können.
Das große Verderben der Gleichgültigkeit
Und so richtet sich hier das Bemessen auf Schuld einzig und allein an das Potential von Selbstermächtigung, welches die Gleichgültigkeit den hineinstürzenden Ereignissen entgegensetzt(e). Ganz gleich, ob jene in ihrer Größe unabwendbar oder abwendbar sein mögen. Und da die Gleichgültigkeit dieses unterlässt, sonst wäre sie ja nicht gleichgültig, ist sie in ihrem Unterlass unvermögend und man muss sie schuldig sprechen. Residiert die Gleichgültigkeit indes in bloßer Gemütlichkeit, die Unabwendbarkeit der Ereignisse also ein bloßer Vorwand statt Resümee des Studierens, macht sie sich der größten Sühne aller drei insgesamten Fälle schuldig. Denn ihrem Unterlass ihr Potential von Selbstermächtigung zu bemühen ging nicht einmal die gewissenhafte Auseinandersetzung mit den Dingen voraus. Ihr Unterlass beruht auf bloßen Phlegmasien und diese entsprechen der wohl erbärmlichsten Art von Gleichgültigkeit, folglich muss diese am strengsten auf Schuld bemessen werden. Hier sei hinzuzufügen, dass der auf Phlegmasien beruhenden Gleichgültigkeit, entgegen der auf das Studieren beruhenden Gleichgültigkeit, nicht die Position der Inhaberin obersten Ranges der Erkenntnis gebührt, diese sogar in die Unachtsamkeit eingehen kann um dort zu verweilen, die erkenntnisinduzierende Peripherie zu erschweren, ja sie zu verunmöglichen. Wäre diese doch von bloßer Störung für das phlegmatische Gemüt, welches aller Mühe nicht viel zu abgewinnen hat.

Der Mensch im Wogenspiel der Macht
Wie aber nun lässt sich alle aufgeführte Überwältigung wesentlicher Souveränität in ihrer Beziehung zur “Schuldfrage” resümieren ? Man erhält doch schwerlich den Eindruck jene Überwältigung sei nahezu unumgänglich, schwebe wie ein Damoklesschwert unbarmherzig über eines jeden Schicksal, jedweden Moment bereit dessen eben noch sicher geglaubte Unbeirrbarkeit durch Hineinsturz der Ereignisse in die Erschütterung zu treiben. Es scheint sich wahrlich zu verhalten, als würde der Mensch in Gesamtheit seines Lebens nie aus jenem Wogenspiel der Macht Ausstieg finden. Gerade verlangte seine Souveränwerdung wieder all seiner Anstrengung, nur um ihm dabei abermals in Ungenügendheit zurück zu werfen. Eine Vertrautheit mit Ohnmachtssentimenten kann nur die Stringenz seiner Erfahrung sein, was impliziert, dass es so auch Leidensmotive sind.
Es käme jedoch einem Entschluss von masochistischer Art gleich, daher Souveränität und so auch das Potential von Selbstermächtigung brach liegen zu lassen, waltet die “Donquichotterie” nicht eines jeden Amtes. Sehr wohl gibt es Ereignisse, Unheil, welches sich vom Einmarsch überraschen lässt, ja das ganz besonders, wenn dieser in weitsichtiger Durchführung geschieht und es wäre ein unsinniges jene Erfahrung der Apathie unterordnen zu wollen. Weder soll sich der Mensch von der Eigendynamik der Ereignisse gefangen nehmen lassen, noch zum bloßen Zuschauer deren Trauerspiele werden. Seine Möglichkeiten und seine Unmöglichkeiten soll er kennen, zwischen Über- und Unterschätzung seine Mitte aufstellen und so auch soll er sein Potential von Selbstermächtigung einrichten, möchte er nicht im Ohnmachtssentiment, im Weltenmeer des Leidens versinken. Denn im Falle der hineinstürzenden Ereignisse wird er doch immer dann Schuld auf sich laden, hat er sich der Verantwortung entzogen dem Gebot nachzukommen, all seine Masse an Potential von Selbstermächtigung zu armieren und nun in der Konsequenz im leidensevozierten Unheil gestraft wird, wo man ihm seine Nachlässigkeit aufzeigt und ihm Konziliation anbietet. Vorausgesetzt, jenes Unheil hat seinen Körper nicht bereits in die Vernichtung gebracht, soll er doch künftig Nachlässigkeit in Achtsamkeit tauschen um der Wiederkehr zu entgehen.
Die naturgemäße Entwicklung
Und so wird ersichtlich, dass es sich hierbei nur um naturgemäße Entwicklung handeln kann. So stehen Blindheit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit allesamt in Beziehung zum Erkennen, sind dem Erkennen auf verschiedene Weise zugewandt, diesem in verschiedener Intimität begegnet. Wo bei der Gleichgültigkeit, zumindest der auf dem Studieren beruhenden Gleichgültigkeit, die erkenntnisinduzierende Peripherie abgewandert ist zum Zentrum, ist diese bei der Blindheit zunächst nicht bestehend, von der Unachtsamkeit bleibt diese vorerst unerkannt. So sind Blindheit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit nicht zu verstehen als Rivalen. Sie bilden jeweils eine Stufe von Entwicklung im Menschen, welcher allenfalls auf der Stiege aufwärtsstrebt, der eine hierbei schwerfälliger als der andere.
Folglich durchlaufen Blindheit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit ein und den selbigen Körper, verschaffen sich zeitweilige Gestalt im dortigen Verweilen, vorausgesetzt es ist im Körper kein Stillstand. Es ist die Sehnsucht der zeitweiligen Gestalt nach ihrer nächst höheren, welche des Unheils hier für allen Übergang bedarf. Und da die Entwicklung keinem Gleichmaß folgt, kommen in einer Periode von Zeit verschiedene gestaltete Körper zusammen. In Gesamtheit aber sind sie alle Ausdruck der unaufhörlichen Gestalt von Entwicklung. Hierin liegt auch der Grund für das ungleiche Abhalten von Individualgericht und Weltgericht. Ist der Mensch im Singular doch meist näher im Begriff der Entwicklung als das Menschenkollektiv. Denn das Menschenkollektiv zieht im arithmetischen Mittel das Höhere stets zum Niederen, daher ist der Kampf gegen das Niedere die eigentliche “Donquichotterie”.
Es ist nicht so, dass die Blindheit mit der Gleichgültigkeit abschließt im graduellen Sinne. Auch die Gleichgültigkeit kann vor die Blindheit und die Unachtsamkeit fallen und die einmal überwundene Blindheit und Unachtsamkeit kann erneut vor das Überwundene treten, wenn auch dieses Überwundene bloß in einem neuen Gewand erscheint, die darunter liegende Gestalt jedoch die selbige ist und daher leichter wiederzuerkennen. Das Wiedererkennen aber ist das entscheidende, wenn nicht sogar das Vornehmliche überhaupt. Denn das Wiedererkennen ist die Erhöhung des Erkennens, eingesenkt in das Zentrum aller erkenntnisinduzierenden Peripherie. Hier blüht die Souveränität die jede Taschenspielerei dekuvriert, fielen dieser zuvor Blindheit und Unachtsamkeit immerzu anheim, standen ihrem Glück daher selbst im Wege. Der Mensch tritt in seiner höchsten Entwicklung erhaben ein in das Wogenspiel der Macht, wohl wissend, dass er jenes nie verlassen wird, er darin jedoch unbedingte Siege zu machen hat, die ihn im und durch das Leidensmotiv zusammenhalten. Solange es ihn und die Erdentage gibt, solange wird man ihn hierbei nach Schuld bemessen.



Comments